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Fallen bei der Kulturarbeit

Die meistverbreiteten Fallen, wenn man an der Unternehmenskultur arbeiten möchte

Timm Richter, 15. August 2020

Oft genug haben die Geschäftsführung oder auch HR das Gefühl, dass die Unternehmenskultur verändert werden sollte. Das ist gar nicht so einfach. Während jedes Unternehmen schon seinen eigenen, individuellen Weg finden muss, so lassen sich zumindest einige Dinge ausmachen, die man vermeiden sollte.

Falle Nr 1: Die Unternehmenskultur als Prügelknabe für alle Probleme

Die Kultur kommt häufig dann ins Spiel, wenn man sich anders nicht mehr zu helfen weiß. Man ist frustriert darüber, dass Dinge nicht so funktionieren, wie man es gerne möchte, findet aber keinen Weg, es zu ändern. Dann wird die „Schuld“ für die Probleme der Unternehmenskultur (oder sogar noch schlimmer: den Mitarbeitern und ihrer Einstellung) zugeschrieben.

Auf diese Art werden Fronten aufgemacht, die man gar nicht braucht und die einer vielleicht notwenigen Veränderung eher im Wege stehen. Dabei übersieht man, dass es ja durchaus Gründe geben muss, warum die Kultur sich bisher bewährt hat. Immerhin war man mit ihr so erfolgreich, dass das Unternehmen noch existiert. Ein guter Startpunkt für Kulturarbeit ist also die Klärung, auf welche Weise die Kultur das Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat. Im zweiten Schritt kann man fragen, was sich denn im Markt- und Wettbewerbsumfeld (inklusive des Wettbewerbs um talentierte Mitarbeiter) verändert hat, so dass die bisher erfolgreiche Kultur zu einer Gefahr werden kann.

Falle Nr 2: Geschäftsleitung, HR und Marketing wissen Bescheid

Oft genug bedeutet die Arbeit an Kultur, dass die Geschäftsleitung formuliert, wie sie sich eine Kultur wünschen. Für diese Arbeit holen sie sich die Unterstützung von HR und Marketing. Ein solches Arbeiten im kleinen Kreise hat ein großes Problem. Man geht davon aus zu wissen, wie die Unternehmenskultur ist. Doch es kann sehr gut sein, dass andere Abteilungen oder Bereiche bzw. bestimmte Mitarbeitergruppen (nach Alter, Betriebszugehörigkeit, o.ä.) die Kultur unterschiedlich wahrnehmen. Am Schlimmsten ist es dann, wenn die Geschäftsleitung von der Organisation entkoppelt ist und ein falsches Bild von der Situation hat.

Bevor man also eine Wunschkultur formuliert, ist es eine sehr nützliche Übung, eine gemeinsame Sicht auf die aktuelle Kultur zu schaffen. Und das schließt die Perspektive aller Mitarbeiter ein. Damit lassen Änderungswünsche auch präziser formulieren und an unterschiedliche Unternehmensbereiche anpassen. In diesem kurzen Video mit Andreas Ollmann von der Ministry Group spreche ich darüber, wie man schnell und informativ eine breite Kulturdiagnose durchführen kann.

Falle Nr 3: Hoffen auf klare Antworten

Wenn von der Geschäftsleitung eine Zielkultur festgelegt wird, so erfolgt das häufig mit der Idee, dass es klare Vorgaben gibt, an denen das Handeln dann ausgerichtet wird. Das sind dann die berühmten Leitwerte, die festgelegt werden. Leider kollidiert diese Hoffnung mit der Realität. In jedem Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Anforderungen, die jeweils im Widerspruch zueinander stehen. Was im konkreten Einzelfall besser ist und wie man widersprüchliche Werte gewichten sollte, hängt meistens vom Kontext ab und kann sich auch über Zeit ändern.

Besser ist es daher, wenn man sich bei der Formulierung von Soll-Werten mehr auf die Wertepaare konzentriert, die in dem jeweiligen Unternehmen eine besonders wichtige Rolle spielen, z.B. bei Banken Verlässigkeit vs. Innovation. Und dann kann man überlegen, in welche Richtung die aktuelle Balance verschoben werden soll und woran man das konkret festmachen könnte, d.h. welches konkrete, geänderte Verhalten gewünscht wird.

Falle Nr 4: Verwechselung von Verkündung und Veränderung

In Kulturveränderungsprozessen wird meistens sehr viel Zeit in die Formulierungen und das Marketing gesteckt. Und diese Botschaften werden dann mit Kraft ins Unternehmen kommuniziert in der Hoffnung, dass die Arbeit damit getan ist. Jeder von uns hat aber schon erlebt, dass das häufig nicht funktioniert, bis dahin, dass solche Zielwerte bei der Belegschaft zu Zynismus führen.

Eine (neue) Kultur kann man eben nicht befehlen, sie bildet sich von alleine aus. Deswegen ist es viel besser, wenn sich die Geschäftsleitung mit den Dingen beschäftigt, die sie tatsächlich entscheiden können. Das sind Dinge wie z.B. Strategie, konkrete Richtlinien, Kennzahlen zur Steuerung von Aufmerksamkeit, Prozesse, Gremien oder die Auswahl von Personen für Stellen. Für alle diese Dinge kann die Geschäftsleitung überlegen, wie sie wären, wenn es die gewünschte Unternehmenskultur schon gäbe - und dementsprechend konkrete Veränderungen beschließen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit (allerdings ohne Garantie), dass sich die Unternehmenskultur tatsächlich in die gewünschte Richtung verändert.