Blogbeitrag




Führung und New Work

New Work: Was von Führung übrig bleibt

Timm Richter, 16. März 2020

In Zeiten von New Work sind viele Führungskräfte verunsichert. Sie fragen sich, wie ihre Arbeit in Zukunft aussehen wird. Eigentlich komisch, denn in unsicheren Zeiten braucht es mehr, nicht weniger Führungsleistung. Führungskräfte können sich auch und gerade im Kontext von New Work an drei Perspektiven orientieren, die ihnen Halt geben.

Führung beginnt mit Einstellung: Opfer oder GestalterIn?

Natürlich gab und gibt es um uns herum immer Dinge, die wir nicht kontrollieren können. Das ist durch New Work gefühlt noch stärker geworden. Da stellt sich die Frage, welche Einstellung wir zu dieser Situation entwickeln. Wir können alles beklagen und uns als Spielball oder Opfer der Umstände verstehen. Man fühlt sich machtlos, getrieben, mitgerissen.

Alternativ können wir unsere Gestaltungsmöglichkeiten in den Blick nehmen. Wir haben immer verschiedene Optionen zu handeln. (Widrige) Umstände als Herausforderung verstanden können unheimlich viel kreative Energie freisetzen. Wer sich entscheidet, Verantwortung für die (eigene) Zukunft zu übernehmen, der führt, der erlebt sich als GestalterIn in einer sich ständig ändernden Umwelt.

Ein solches Führungsverständnis ist sehr kompatibel zu New Work, bedeutet es doch, dass nicht nur Führungskräfte, sondern auch Mitarbeiter (im Rahmen der eigenen Möglichkeiten) führen können. Führungskräfte sollten vorhandene Verantwortungsbereitschaft von Mitarbeitenden nicht als Bedrohung, sondern als Chance verstehen. Und besonders in Zeiten von New Work ist es eine wichtige Führungsleistung, solche Energien durch eigenes Führungsverhalten nutzbar zu machen. Was mich zum zweiten Punkt bringt, an den Führungskräfte denken sollten, wenn sie in ihrer Rolle verunsichert sind.

Führung ist ein Führen-Folgen-Prozess

Viele Unternehmen experimentieren mit alternativen Modellen, fachliche und disziplinarische Führung, die bisher in einer Führungskraft gebündelt wurden, auf verschiedene Rollen zu verteilen oder sogar einem Team zu übertragen. Wenn formale Weisungsbefugnisse neu verteilt oder aufgehoben werden, passiert es immer wieder, dass Mitarbeitende oder Teams mit der neu gewonnenen Freiheit und Verantwortung zumindest am Anfang überfordert sind und Führungskräfte immer noch (informell) nachgefragt sind, um Orientierung zu geben. So kommt in den Blick, dass Führung immer schon mehr war als lediglich formale Weisungsbefugnis.

Führung gibt es nämlich nur dann, wenn auch gefolgt wird. Wie bei einem Tanz lässt man sich aufeinander ein und erst in dem Zusammenspiel entsteht das Phänomen Führung. In allen sozialen Interaktionen, unabhängig von formalen Hierarchiebeziehungen, entstehen komplementäre Beziehungen, bei denen eine Person eher führt und andere Personen eher folgen. Beide Rollen benötigen aktive Teilnahme und Initiative (siehe ersten Abschnitt) - stimmig zu dem Part, den man spielt. Eine Führungskraft hat eben nicht nur formale Macht, sondern viel mehr auch von Mitarbeitenden und Kollegen zugeschriebenen Einfluss. Formale Anweisungen lassen sich auch nur in dem Maße durchsetzen, wie sie akzeptiert werden - ansonsten gibt es Dienst nach Vorschrift oder andere Methoden der „Unterwanderung“.

Moderne Führung im New Work Kontext ist sich der gegenseitigen Abhängigkeiten im Führen-Folgen-Prozess bewusst. Unabhängig von formalen Beziehungen können Führungskräfte ihren Einfluss nutzen, um die Führungskompetenzen von Mitarbeitenden zu stärken - und zwar in den wechselnden Rollen des Führens und Folgens. Und gleichzeitig können Führungskräfte ihre Kompetenz erweitern, indem sie üben, wie man im Folgen auch führt. Wer beide Rollen gut beherrscht, ist klar im Vorteil.

Führung ist eine Systemleistung, kein Einzelsport

Wenn im New Work Kontext die Führungsfrage diskutiert wird, wird Führung häufig auf Führungskräfte reduziert bzw. personifiziert, so als ob sie die einzige Quelle von Führung wären. Dabei ist es ja viel wichtiger, dass Unternehmen als Organisation in der Lage sind, Führungsleistung zu erbringen. Und das heißt, kontinuierlich zu reflektieren, ob man weitermachen kann wie bisher oder etwas ändern muss.

Führung so verstanden bedeutet, dass sich Führungskräfte nicht über Einzelentscheidungen oder Entscheidungsmacht definieren, sondern sich als Architekt einer Organisation verstehen, die im definierten Rahmen eigenständig notwendige Anpassungsleistungen erbringen kann. Führungskräfte betreiben Clock Building, nicht Time Telling. Im Kontext der Digitalisierung würde man Führungskräften sagen: Die Organisation ist euer Produkt, an dem ihr arbeitet. Die grundsätzliche Idee dahinter ist es, als Einzelperson möglichst unwichtig für die Überlebensfähigkeit der Organisation zu werden.

New Work kann helfen, die Entscheidungsfähigkeit der Organisation durch entsprechende Rahmenbedingungen zu erhöhen. Dies umzusetzen erfordert schon viel Aufmerksamkeit und Arbeit, so dass Führungskräften auch in Zukunft nicht langweilig werden wird.


Wer mehr darüber lernen möchte, wie Führung im Kontext von New Work funktioniert, ist herzlich eingeladen, am Seminar Agilität & Organisation von Simon, Weber & Friends teilzunehmen. Mehr Infos gibt es hier.

Teaser Agiltät und Organisation