Purpose ist heute in aller Munde. Oft genug wird der Begriff bedeutungsschwanger aufgeladen und läuft damit Gefahr, zu einer modernen Ersatzreligion aufgebauscht zu werden, um dann nach kurzer Zeit als Modeerscheinung wieder vergessen zu werden. Das wäre schade, denn Purpose ohne Pathos ist äußerst praktisch für ein wert- und sinnvolles Zusammenleben.
Die Grundidee von Purpose ist die Idee, Annahme, Hoffnung, dass wir unseren Unternehmen und unserem Handeln eine Bedeutung geben können, die über uns hinausgeht; dass also alles einem höheren Zweck dient, der größer ist als wir. Der Purpose wird gedacht als eine Quelle der Selbstversicherung und Motivation von Menschen in Unternehmen, die von außen kommt und unabhängig von der eigenen Existenz gegeben ist.
Mir gefällt dieser altruistische Impuls des Nach-Außen-Schauens. Und vermutlich ist der implizite Altruismus auch der Grund, warum Purpose eine große Anziehungskraft auf Menschen ausübt, die bereits eine hinreichende materielle Absicherung haben und spüren, dass das irgendwie noch nicht alles sein kann. Wer einen solchen Purpose des Größer-als-man-selbst sucht, findet und verfolgt, geht dabei allerdings drei Risiken ein:
Natürlich sollte etwas, das gut ist, sich verbreiten und vielen Menschen nützen. Wenn man es allerdings mit dem Geltungsanspruch des eigenen Purpose übertreibt, kann dieser schnell einen imperialistischen oder ideologischen Charakter annehmen.
Um diese Risiken zu vermeiden, lohnt es sich, den Purpose mit Pragmatismus im Gemeinwohl zu verankern. Die Logik ist dabei für Unternehmen und Individuen unterschiedlich.
Im Falle von Unternehmen kann man erst einmal (vermeintlich) kleinere Brötchen backen und mit den grundlegenden Dingen beginnen. Um überhaupt zu überleben, muss ein Wirtschaftsunternehmen nämlich ausreichend (nicht: maximal) Ertrag erzielen, um langfristig sämtliche Kosten des Wirtschaftens (laufende Kosten des Betriebes, Innovation, Kapitalzins, Risikoversicherung) zu decken. Dafür braucht es, genau: Kunden. Peter Drucker sagte dazu: „There is only one reason for a business: the customer.“ Hauptzweck (Purpose) für Wirtschaftsunternehmen ist es also, Produkte und Services zu liefern, die nachgefragt werden. Das ist ihr Hauptbeitrag zur Gesellschaft. Und genau für die Erfüllung dieses Beitrages zum Gemeinwohl gibt wird überhaupt die rechtliche Konstruktion Unternehmen (z.B. das Unternehmen als juristische Person und die beschränkte Haftung) zugelassen.
Gleichzeitig müssen Unternehmen Nebenbedingungen erfüllen, um ihre gesellschaftliche Legitimation, Prof. Timo Meynhardt würde sagen „License to operate“, zu erhalten. Wenn Unternehmen durch die Art ihres Wirtschaftens Gemeinwohl fördern, steigt ihre Akzeptanz. Ein (zu starker) Verstoß gegen gesellschaftliche Gemeinwohlerwartungen führt zu wirtschaftlichen Konsequenzen, im schlimmsten Fall zur Insolvenz.
Mir würde es reichen, wenn Unternehmen ihren Purpose sehr pragmatisch darin sehen, nachgefragte Produkte und Services auf eine Weise zu liefern, die ihnen Respekt aus der Gesellschaft einbringt. Und das ist schon schwierig genug.
Aus einer individuellen Perspektive gibt es zwei Phänomene, die wir mit „größer“ als das eigene bewusste Ich bezeichnen können: unser „wahres“, inneres Ich, das es zu entdecken gilt, sowie Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Menschen. Dementsprechend ergibt es für uns Sinn, unserer eigenes Potenzial zu entfalten und mit unseren Fähigkeiten einen Beitrag zur Gemeinschaft zu liefern. Sinn ergeben heißt auch, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Potenzialentfaltung bedient das Bedürfnis nach Selbstachtung und Selbstvertrauen, Hilfsbereitschaft sorgt für Verbundenheit.
Im Unternehmenskontext bedeutet dies, dass man bereits dann ein großes Purpose-Angebot macht, wenn die Mitarbeiter ihr Potenzial in einem kollegialen Umfeld gemeinsam entfalten können.
Also: Pragmatischer Purpose = klassischer Unternehmenszweck + Good Citizenship als Unternehmen + Ermöglichung individueller Potenzialentfaltung + Kollegialität
Wer mehr darüber lernen möchte, wie man mit welchen Hebeln in neuen Organisationsformen etwas bewirken kann, ist herzlich eingeladen, am Seminar Agilität & Organisation von Simon, Weber & Friends teilzunehmen. Mehr Infos gibt es hier.