New Work ist die utopische Idee von einer besseren Arbeitswelt. Diese Idee begeistert viele Menschen. Aber woran liegt es dann, dass es erst den Corona-Virus braucht, damit Unternehmen Home-Office einführen? Und warum kommt es bei Unternehmen, die New Work versuchen zu leben, zu Enttäuschungen?
Der Kern von New Work ist die Aufforderung von Frithjof Bergmann an jeden Einzelnen herauszufinden, „was man wirklich, wirklich will“. Es geht also darum, für sich selbst ein Umfeld zu finden oder zu schaffen, in dem man sich wohlfühlt und entfalten kann. Dies ist also eine vor allem individualistische Perspektive, die sich um persönliche Bedürfnisse kümmert.
Eine solche Perspektive ist Unternehmen allerdings vollkommen fremd. Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die definierte Rollen ausüben können. Man ist gar nicht an der „ganzen Person“ und ihrer Individualität interessiert, sondern nur an dem Ausschnitt, der für das Funktionieren in der Rolle wichtig ist. In einem Arbeitsvertrag sichert ein Arbeitnehmer (in Grenzen) Rollenkonformität und Verzicht auf Individualität zu im Austausch gegen Geld. Bringt es dem Mitarbeiter Spaß, diese Rolle auszufüllen, so ist das wunderbar für ihn, das Unternehmen ist allerdings nur an den Ergebnissen der Arbeit interessiert.
Diese Fokussierung auf die Rolle ist für Unternehmen notwendig, denn nur so ist es ihnen möglich, unabhängig von einzelnen Personen zu sein, d.h. die handelnden Personen jederzeit austauschen zu können.
Natürlich gibt es in Unternehmen viele Mitarbeitende, auch Führungskräfte, die intrinsisch am Wohlergehen von Kollegen interessiert sind. Das sind sie aber nicht wegen, sondern ergänzend zu ihrer formalen Rolle - und manchmal auch subversiv im Widerspruch dazu.
Aus der Perspektive von Unternehmen gibt es nämlich nur eine Frage, die sie leitet und im Zweifel wichtiger ist als alles andere: wie kann das Überleben als Organisation sichergestellt werden? Im kurz-, mittel- und langfristigen Horizont richtet sich ein Unternehmen immer an Liquidität, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit aus. Und zwar in genau dieser Reihenfolge der Dringlichkeit.
Genau das sehen wir in der Corona-Krise: jedes Unternehmen muss für ausreichende Liquidität sorgen - und trifft dafür, wenn es sein muss, auch harte Entscheidungen, die Mitarbeitern persönlich weh tun. Home-Office für White-Collar Arbeitnehmer wurde nicht eingeführt, weil man plötzlich den Mitarbeitern etwas Gutes tun wollte, sondern weil es die einzige Möglichkeit war, weiterhin auf die Leistung dieser Mitarbeiter zurückzugreifen. Externer Überlebensdruck bringt Unternehmen dazu zu handeln.
Kurzum die These: New Work wird von Unternehmen (nur) dann eingeführt, wenn sie an die Nützlichkeit glauben (Einzige Ausnahmen: wenn Eigentümer aus persönlichen Motiven - siehe erster Abschnitt - New Work möchten). New Work setzt sich also dann durch, wenn es die Überlebensfähigkeit von Unternehmen erhöht.
Das sieht man auch an den Veränderungen durch die Digitalisierung, dem eigentlichen Treiber von New Work. Um die nötigen Wissensarbeiter an das Unternehmen zu binden, muss man ihren persönlichen Vorlieben in Bezug auf die Art des Arbeiten entgegenkommen. Und wer die Chancen der Digitalisierung nutzen und im schnellen Wandel der Geschäftsmodelle bestehen möchte, setzt auf Arbeitsformen von New Work, die Flexibilität und Innovation fördern.
So kann es also durchaus passieren, dass eine Win-Win-Situation entsteht: Mitarbeiter wünschen sich New Work und Unternehmen sehen in New Work eine Möglichkeit, ihre Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit zu verbessern. Das ist wunderbar und wir sollten versuchen, nach solchen Chancen Ausschau zu halten.
Gleichzeitig lohnt es sich, das Verhalten von Unternehmen sorgsam zu beobachten. Viele Unternehmen folgen der Logik des höher, schneller, weiter. Und das kann dann auch bei der Einführung von New Work passieren und zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.
Wenn sich Mitarbeiter mit der Unternehmensvision identifizieren und daraus Sinn und Motivation schöpfen, so ist das zu begrüßen. Wird das Unternehmen jedoch ideologisch überhöht, so dass sich Mitarbeiter in der Folge „mit der ganzen Person“ einbringen, dann werden Grenzen überschritten. Eine solche Vereinnahmung empfinde ich als übergriffig, es ist eine Aufgabe von Individualität.
Sobald New Work ein Mittel zum Zweck der Leistungssteigerung wird, dann können Unternehmen diesen Weg sehr konsequent verfolgen - auch zu Lasten der Mitarbeitenden. Mobiles Arbeiten erlaubt, dass Mitarbeiter ständig online sind und verfügbar sind. Transparenz birgt die Gefahr, dass Unternehmen Mitarbeiter stärker kontrollieren. Die Einsparung von Führungskräften wegen flacher Hierarchien kann zur Erhöhung der Leistungsdichte bei den verbleibenden Mitarbeitern führen. Aus der Organisationslogik heraus nehmen sich Unternehmen eben häufig alles, was sie bekommen. Es gibt hier keine inhärente Schranke, sondern nur Druck aus der Umwelt (durch Mitarbeitende oder die Gesellschaft).
Ich persönlich empfinde viele Elemente von New Work als attraktiv und freue mich, dass die Diskussion und die Experimente diesbezüglich zunehmen. Dabei halte ich es für sehr wichtig, dass man sehr nüchtern mit der inneren Logik von Unternehmen rechnet und sich nicht naiv bedingungslos der New Work Idee verschreibt. Konkret glaube ich, dass man mit vier Maßnahmen einen aufgeklärten Umgang mit New Work erreichen kann: