Blogbeitrag




New Work - was bleibt

Was sich auch mit New Work NICHT ändern wird

Timm Richter, 3. März 2020

Die Geschichte von New Work wird meistens so erzählt, dass wir vor einem radikalen Wandel stehen. Und ja, getrieben durch die Digitalisierung, ändert sich extrem viel - aber eben nicht alles. Um nicht enttäuscht zu werden, lohnt es sich darüber nachzudenken, welche organisatorischen Realitäten ebenso in Zeiten von New Work gelten werden. Hier sind meine fünf Favoriten.

Die Überlebensfrage des Unternehmens hat immer höchste Priorität

In vielen Fällen sind Bestrebungen, New Work Ideen zu fördern, dadurch motiviert, dass man eine bessere, menschlichere Arbeitswelt schaffen möchte. Diese Motive schätze und unterstütze ich sehr. Und wenn manche Unternehmen sich nur gezwungenermaßen mit New Work beschäftigen, weil sie sonst fürchten, dass sie nicht genug Fachkräfte bekommen, soll mir das auch recht sein.

Gleichzeitig halte ich Realismus für angemessen. Viele Unternehmen können es sich im Moment leisten, New Work Initiativen zu starten. Wenn es zu einer Rezession kommt, mag das schon alles ganz anders aussehen, denn dann kommt die Überlebensfrage mit Macht (wieder) in den Fokus. Ich habe durchaus den Eindruck, dass bei vielen Ansätzen von New Work nicht ausreichend darüber nachgedacht wird, auf welche Weise sie die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens erhöhen. Und das ist es, was zählt. Auch wenn man wie ich die Idee des Maximizing Shareholder Value ablehnt, so geht es immer darum, ausreichend gut zu wirtschaften, um auch morgen noch im Spiel zu sein.

Fazit: New Work Initiativen sollten versuchen, die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens zu stärken.

Keine eindeutigen Antworten, nur Paradoxien

New Work möchte eine bessere Arbeitswelt schaffen. Und ja, es ist sinnvoll und befriedigend, sich dafür einzusetzen. Vor allem gefällt mir, dass New Work Verfechter etwas tun anstatt nur zu träumen.

Ich habe allerdings den Eindruck, dass es gar nicht so einfach ist, diese besseren Unternehmen zu schaffen. Immer hakt es irgendwo, die Realität ist widerspenstiger als erhofft. Und oft genug wird dann anderen (meist als mächtiger angesehenen) Personen vorgeworfen, dass sie New Work nicht wollen. Die Probleme der Umsetzung von New Work werden im Mindset verortet. Dabei wird übersehen, dass die Anforderungen an Unternehmen immer vielfältig, ja sogar paradox sind. Man soll flexibel sein und wir sehnen uns nach Stabilität. Kundenorientierung ist super wichtig, aber es muss auch wirtschaftlich sein. Wir wünschen uns Konsens, aber wer geht dann in den Konflikt, wenn es notwendig ist? Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Paradoxien zeichnen sich dadurch aus, dass sie einfach nicht weggehen. Jede Lösung funktioniert immer nur auf Zeit und bringt andere Probleme mit sich.

Fazit: Wenn man akzeptiert, dass die Welt auch an New Work nicht (vollständig) genesen wird, dann lässt sich mit mehr Gelassenheit die nächste pragmatische Verbesserung (auf Zeit) angehen.

Hierarchie geht nicht weg

Hierarchie wird im Kontext von New Work meistens verteufelt. Wer der Hierarchie etwas Gutes abgewinnen möchte, wird schief angeschaut. Dabei ist es doch so:

  • Rein rechtlich gesehen ist die Geschäftsführung immer hierarchisch übergeordnet, denn sie hat formale Entscheidungsmacht, die sie nicht loswird, selbst wenn sie es wollte.
  • Wenn über Erfolgsfaktoren für New Work (oder Agilität oder mehr Selbstorganisation) gesprochen wird, dann wird häufig die Unterstützung durch das Top-Management als einer der wichtigsten Voraussetzungen genannt. Also weniger Hierarchie, indem man man Hierarchie nutzt ?!(Achtung, Paradoxie - siehe oben)
  • In jeder Gruppe bilden sich Hierarchien aus. Hierarchische Beziehungen mögen über Zeit oder nach Aufgaben variieren, aber es gibt sie. Wenn sie immer wieder auftauchen, müssen ja für irgendetwas gut sein.

Ich denke, dass Hierarchie immer dafür zu gebrauchen ist, dass Entscheidungen getroffen werden können. Es ist richtig, möglichst viele Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einzubinden und wo immer möglich zu delegieren. Wenn dann aber Entscheidungen doch nicht getroffen werden, weil die beste Alternative einfach nicht klar ist, kann Hierarchie den gordischen Knoten durchschlagen. Oft genug sind die Beteiligten ganz froh, dass jemand entscheidet, der hierarchisch übergeordnet ist. Eine hierarchische Entscheidung wirkt entlastend, wenn (1) alle Beteiligten das Gefühl haben, dass der eigenen Beitrag wirklich gehört wurde , (2) das Abwägen von Argumenten einen Unterschied gemacht hat und (3) die beste Lösung alles andere als offensichtlich ist.

Fazit: Wir sollten Hierarchie nicht verteufeln, sondern sie verantwortungsvoll nutzen.

Unternehmen werden weiter versuchen, die Austauschbarkeit von Mitarbeitern zu erhöhen

Im Zeichen von New Work wird sehr viel von Authentizität gesprochen. Man möchte dafür sorgen, dass Mitarbeiter mit ihrer ganzen Persönlichkeit bei der Arbeit sind und sich einbringen können. Und klar, niemand sollte sich verbiegen müssen, nur um seinen Job zu machen.

Auf der anderen Seite: Organisationen und Unternehmen gibt es genau aus dem Grunde, dass man mit vielen Menschen mehr erreichen kann als alleine. Dafür ist es notwendig, dass die Arbeit von allen Mitarbeitern koordiniert wird und jeder in seiner Rolle funktioniert - wie in einer Fussballmannschaft, wo jeder seine Position und Aufgabe hat. Und um eine verlässliche Qualität liefern zu können, an der auch die Kunden interessiert sind, ist es für Unternehmen sehr wichtig, dass sie eben nicht von einzelnen Individuen abhängen. Keine Kopfmonopole! Oder anders gesagt: es wird immer versucht dafür zu sorgen, dass viele Mitarbeiter die gleichen Rollen ausfüllen können. Das geht eben nur dann, wenn man nicht „die ganze Persönlichkeit“ für seinen Job braucht. Und wenn man sich als Mitarbeiter nicht mit Haut und Haaren einbringen muss, dann schützt das auch vor der Gefahr, von seinem Job aufgefressen zu werden.

Fazit: Ich wünsche jedem Mitarbeiter ein gewisses Maß an Distanz zur eigenen Arbeit. Der Job ist eben nicht alles.

Kontrollversuche bleiben, sie werden eher subtiler

Weil Unternehmen daran interessiert sind, in der gesamten Organisation Verlässlichkeit herzustellen, wird es aus meiner Sicht immer auch Versuche geben, Arbeit und Mitarbeiter zu kontrollieren. Wenn das direkt nicht (mehr) klappt, weil man Wissensarbeiter so nicht steuern kann, dann wird eben indirekter gesteuert. Dafür eignen sich Transparenz und Purpose, die im Kontext von New Work sehr hoch gehalten werden. Ich befürworte grundsätzlich Transparenz und suche wie die meisten anderen nach einer Aufgabe, die mir sinnvoll und wertstiftend erscheint.

Dabei sollte man allerdings nicht so naiv sein und die Gefahren ausblenden, die damit einhergehen. Wenn z.B. Leistungsdaten transparent gemacht werden, kann es dazu führen, dass Leistungsdruck und Konkurrenzdenken steigen. Und manche Mitarbeiter mögen dafür anfällig sein, sich selbst über Gebühr zu belasten, weil sie den Purpose so wichtig finden oder sich selbst in ihrem Job immer optimieren wollen. Es besteht immer die Gefahr, dass Unternehmen in der schönen neuen Welt den Vorgesetzten einsparen können, weil es gelungen ist, dass die Mitarbeiter Kontrollfunktionen selbst ausfüllen.

Fazit: Ein Ja zu Purpose und Transparenz, aber immer mit Blick auf nicht gewollte Nebenwirkungen.

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New Work ist eine tolle Idee. Sie wird noch besser, wenn man Idealismus mit Pragmatismus kombiniert.