Blogbeitrag




Fragen New Work

New Work fordert das Rollenverständnis vom Top Management heraus

Timm Richter, 17. Februar 2020

Top-Manager müssen heute zu New Work Stellung beziehen. In der Vergangenheit war es klar: das Management kümmert sich um die Steigerung der Effektivität und Effizienz, damit das Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt und wächst. Alles andere konnte weitgehend ausgeblendet werden. Mit New Work gerät dieses Rollenverständnis von zwei Seiten unter Druck.

Das alte Rollenverständnis verlangt Top-Managern noch mehr ab

Top-Manager sind heute herausgefordert, New Work im Rahmen ihres klassischen Rollenverständnises mitzudenken. Denn auch in Zeiten von New Work bleibt die Eigenlogik von Wirtschaftsunternehmen bestehen. Selbst wenn Unternehmen nicht nach Gewinnmaximierung streben, so müssen sie trotzdem ausreichend viel Umsatz erwirtschaften, um langfristig im Spiel zu bleiben. Für die Erfüllung dieser „klassischen“ Aufgabe muss das Top-Management nun aber zusätzlich zwei Aufgabenbereiche bearbeiten, die früher nicht so prominent waren.

Zum einen wird die Sicherstellung und Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität für (junge) Fachkräfte viel wichtiger. In Zeiten des immer stärker werdenden Fachkräftemangels verschiebt sich der Wettbewerb von Unternehmen zunehmend darauf, die Fähigkeit zur Leistungserbringung des eigenen Unternehmens sicherzustellen, sprich ausreichend viele und fähige Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Dies ist auch deswegen besonders herausfordernd, da immer mehr Wertschöpfung digital erbracht wird und man digital affine Mitarbeiter gewinnen muss, die eine von New Work geprägte Vorstellung eines guten Unternehmens haben. Dies verändert sukzessive die Kultur vieler Unternehmen, wenn Funktionen an Wichtigkeit gewinnen, die vor einigen Jahren überhaupt keine Rolle im Unternehmen spielten. Wenn das Top-Management nicht attraktiv für die umworbene Zielgruppe ist und keinen Draht zu ihr hat, wird es schwierig.

Darüber hinaus muss sich das Top-Management in viel stärkeren Maße um gesellschaftliche Akzeptanz des eigenen Unternehmens kümmern. Früher reichte es, Produkte und Services zu erbringen, für die es eine Nachfrage gab. Heute sind Unternehmen viel stärker dem Risiko ausgesetzt, dass ein Unternehmensverhalten, das von der Öffentlichkeit verurteilt wird, ernste Konsequenzen für das Unternehmen hat. Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen wird viel stärker thematisiert und das Top-Management kann sich dieser Diskussion kaum mehr entziehen. Benedict Evans, ein Beobachter der Tech-Szene, geht sogar soweit, Regulierung als das nächste Feld des Technologie-Sektors zu sehen, in dem die wesentlichen Veränderungen des nächsten Jahrzehntes stattfinden werden (siehe seine Präsentation, die er in Davos gehalten hat). Top-Manager müssen also viel mehr als früher in diesen gesellschaftlichen Diskursen sichtbar sein und öffentlich gestalten, um die Interessen ihres Unternehmens zu wahren.

Manager müssen sich zusätzlich rechtfertigen - vor sich selbst und der Gesellschaft

New Work betrifft Top-Manager aber nicht nur in Ihrer Rolle als Manager, sondern auch ganz persönlich. Wenn auf breiterer Ebene klassische Karrieremodelle in Frage gestellt und junge Menschen oder ihre Kinder tatsächlich anders handeln, so geht das auch an ihnen nicht spurlos vorbei. Top-Manager werden viel mehr als früher mit der Frage konfrontiert, in welchem Maße sie ein Leben auf der Überholspur leben wollen und welchen Preis sie dafür zahlen möchten. Und auch im persönlichen gesellschaftlichen Umfeld wird es schwierig, wenn man für ein Unternehmen verantwortlich ist, das gesellschaftlich unter Druck steht.

Darüber hinaus ist jeder Top-Manager auch Bürger dieser Gesellschaft. Es gab eine Zeit, in der ein Unternehmer an seinem Unternehmensstandort in seiner Gemeinschaft eingebunden war und somit auch in seiner Funktion als Unternehmer am gesellschaftlichen Leben teilgenommen und Stellung bezogen hat. Durch die Schaffung von größeren Kapitalgesellschaften mit professionellem Top-Management wurde diese gesellschaftliche Rolle in den Hintergrund gedrängt. Durch New Work lebt sie wieder auf. Auch heute haben Top-Manager das Potenzial, aus ihrer Rolle heraus gesellschaftlich Stellung zu beziehen. Die Erwartungen steigen, diesen Einfluss auch tatsächlich zu nutzen.

Aufgabe ist eine neu balancierte Integration der unterschiedlichen Rollenanforderungen

In Zeiten von New Work wird aus meiner Sicht viel deutlicher, dass auch Top-Manager - wie alle anderen - immer in drei Rollen unterwegs sind: als Mitarbeiter eines Unternehmens, als Mensch und als Bürger unserer Gesellschaft. Diese drei Rollen lassen sich heute weniger als früher voneinander trennen und führen unweigerlich zu Spannungen und Konflikten.

Ein erster Schritt, damit umzugehen, ist es, diese Spannungen anzuerkennen. Top-Manager haben die Chance, in ihrem Unternehmen gemeinsam mit den Mitarbeitenden auszuprobieren, wie man eine neue, moderne Balance dieser unterschiedlichen Anforderungen finden kann. In diesem Sinne kann man Unternehmen durchaus als Experimentierfeld für gesellschaftliche Veränderungen sehen und Top-Manager können einen Beitrag leisten, unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln.

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Timm Richter bietet mit seiner Firma NEO Culture eine Online Diagnose Ihrer Unternehmenskultur an. Darüber hinaus unterstützt er Unternehmen mit Trainings und Beratung zu den Themen Führung und Organisationsentwicklung in digitalen Zeiten.